CO2-Belastung: Über das Setzen von Prioritäten

Fabian Eder, Nur Baute
31. Juli 2017
 
Volkswagen präsentiert sein neues Umweltprogramm »Think Blue« und peilt dabei eine Reduktion der Umweltbelastungen in der Produktion um 45 Prozent bis 2018 an. Dass diese Maßnahme die Benennung der eigentlichen Problematik der Branche verfehlt, ist bezeichnend für einen fehlgeleiteten politischen Umgang mit der Automobilindustrie.
 
Die Schlagzeilen sind noch jung: Deutschland verfehlt trotz verschiedener Bemühungen auch im Jahr 2016 die landesweite Reduktion der Gesamtemissionen. Sogar ein kleiner Anstieg ist zu verzeichnen. Einer der Hauptgründe ist dabei die steigende Belastung durch den Autoverkehr. Dabei bemühen sich große Marken doch so sehr, einen Unterschied auszumachen. Dass VW (und auch andere Hersteller) ihren Beitrag zur Lösung des Problems in der Produktionseffizienz sehen, ist jedoch einer der Kardinalfehler der Branche, wenn es um ernstgemeinte Reduktion der Gesamtbelastung geht.
 

Hebelwirkung an anderer Stelle

 
Ein Blick in den Nachhaltigkeitsbericht des Unternehmens offenbart nämlich so manche Erkenntnis in Bezug auf seine verursachten Emissionen. Während in dem Bericht die Menge der Scope-1- und -2-Emissionen (also jene, die durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe sowie durch den Bezug von Strom zur Verwendung an eigenen Standorten entstehen – Emissionen, die durch »Think Blue« in Angriff genommen werden sollen) für das Jahr 2016 mit 9,51 Millionen Tonnen beziffert sind, zeigt der Blick auf die Scope-3-Emissionen (alle Emissionen, die durch die eigene Geschäftstätigkeit indirekt in der vor- und nachgelagerten Lieferkette anfallen) ein ganz anderes Bild. Allein jene Emissionen, die in der Produktion von beschafften Gütern und Dienstleistungen entstanden sind, übersteigen diese Zahl um ein Vielfaches: 59,42 Millionen Tonnen. Eine eklatant höhere Summe macht jedoch die Position der Nutzungsphase der Fahrzeuge aus: 241,68 Millionen Tonnen – rund 25-mal mehr Emissionen, als an Standorten in der Produktion anfallen. Ähnliches ist auch bei BMW und Daimler zu beobachten.
 

Wer trägt die Verantwortung? Die Wirtschaft…

 
Diese Zahlen offenbaren, dass die Auseinandersetzung mit den Scope-3-Emissionen einen viel profunderen Unterschied machen könnte. Eine Studie von Systain zeigt, dass nur rund vier Prozent der befragten Unternehmen Scope-3-Emissionen umfassend berichten, obwohl diese zwischen 18 und 87 Prozent der Gesamtemissionen in Unternehmen ausmachen. Ginge es wahrhaftig um die Reduktion der Gesamtbelastung, sollten Automobilhersteller also nicht an der Produktionseffizienz arbeiten, sondern daran, dass Fahrzeuge weniger Abgase emittieren. Im Falle der Emissionen der Nutzungsphase läge die Verantwortung dafür eindeutig bei den Produzenten selbst (und nicht wie oft als Schwierigkeit im Umgang mit Scope-3-Emissionen angegeben bei den Zulieferern) – es gibt also eigentlich kaum Ausreden.
 

…oder die Politik?

 
Dass diese Maßnahmen noch immer nicht durchgeführt werden, ist allerdings auch Mitschuld der Politik, die sich im Falle Deutschlands vehement gegen die vonseiten der EU vorgeschlagenen höheren Emissions-Grenzwerte stellt, um das Steckenpferd nationaler Exportstärke nicht zu gefährden. Zumindest die Maßnahme, dass viele Automobilhersteller die meisten Emissionszahlen berichten, ist ein kleiner Anfang; weiterführend sollte aber daran gearbeitet werden, sie zu verringern. Und für den Fall, dass die Reduktion der Abgase aus technischer Perspektive nicht weiter möglich ist, muss dringend über den großflächigen Ausbau alternativer Mobilitätslösungen, einhergehend mit einem Verbot von Verbrennungsmotoren, nachgedacht werden. Dass das möglich ist, zeigen bereits andere Länder und Unternehmen. Zumindest sickert in der deutschen Politik so langsam durch, dass das Geschäftsmodell der deutschen Autoindustrie langfristig nicht haltbar ist, und Vorreiter für alternative Technologien bereits wo anders beheimatet sind. Um dies zu ändern, benötigt es starke Impulse von Seiten der Gesetzgeber, nationale Wettbewerbsfähigkeit hin oder her.


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