Energiesektor: Menschenrechts-Verletzungen keine Seltenheit

Wenn es für Unternehmen des Energiesektors um die Bestimmung materieller Themenschwerpunkte geht, tauchen traditionell zu aller erst Themen wie Emissionen, der Erhalt der Biodiversität oder andere umweltbezogene Bereiche in CSR Berichten auf. Sensibilität für Menschenrechtsverletzungen besteht hingegen nur in den wenigsten Fällen, und das, obwohl der deutsche Energiesektor (vor allem im Ausland) signifikante Auswirkungen auf Menschenrechte hat.
 
Eine Studie der Universität Maastricht zufolge sind rund ein Drittel der weltweit anfallenden wirtschaftsbezogenen Menschenrechtsbeschwerden dem Rohstoff und Energiesektor zuzuschreiben. Denn häufig erfolgen der Abbau von Energierohstoffen und die Energiegewinnung selbst im Rahmen von Megaprojekten, die in vielen Fällen mit Umweltzerstörungen einhergehen, und so die Lebensgrundlage der umliegenden Bevölkerung gefährden. Waldrodungen, Wasserverseuchung oder Bodenzerstörung für den Rohstoffabbau machen ganze Regionen unbewohnbar und entziehen der lokalen Bevölkerung ihre Einkommensgrundlage. Auch bürgerliche und politische Rechte (Information, Selbstbestimmung, Beteiligung etc.) werden regelmäßig im Kontext solcher Projekte verletzt.
 

Germanwatch zeigt Problemstellen auf

In diesem Zusammenhang beleuchtet eine aktuelle Studie von Germanwatch die negativen Auswirkungen deutscher Energieerzeuger auf Menschenrechte. Dafür wurden 30 deutsche Unternehmen im Energiebereich zu ihren Aktivitäten betreffend der Erkennung und Vorbeugung menschenrechtlicher Risiken befragt. Dabei gaben lediglich 7 Unternehmen an, eine Grundsatzerklärung zur Achtung von Menschenrechten verabschiedet zu haben. Des Weiteren gaben zwar zwei Drittel der Befragten an, menschenrechtliche Risikoanalysen durchzuführen, das Einbeziehen potenziell Betroffener wurde jedoch nur von 7 Unternehmen bestätigt. Auch das Lieferkettenmanagement ließ in menschenrechtsbezogenen Fragestellungen zu wünschen übrig. So gaben nur 12 der befragten Unternehmen an, von ihren Lieferanten die Zahlung national gesetzlicher Mindestlöhne zu fordern (nur eines fordert die Zahlung existenzsichernder Löhne). Auch die vertragliche Verpflichtung an Geschäftspartner, Verhaltenskodizes einhalten zu müssen, wird nur von einem Drittel der 30 Unternehmen verlangt. Konkrete Projekte deutscher Firmen mit Potenzial zu Menschenrechtsverletzungen finden aktuell vor allem in Mittel- und Südamerika statt, wo beispielsweise RWE oder EnBW durch Kohleabbau oder Staudammfinanzierungen vertreten sind.
 
Die Tatsache der hohen Rate an Menschenrechtsbeschwerden im Energiesektor wird durch laxe Vorgaben deutscher Gesetzgeber beflügelt. So gibt es in Deutschland nach wie vor keine gesetzlichen Menschenrechtsvorgaben für öffentliche Unternehmen. Auch für Private stellt sich die Bundesregierung bislang quer, menschenrechtliche Sorgfaltspflicht gesetzlich zu verankern und prozessuale Hürden für Betroffene im Ausland beim Zugang zu deutschen Gerichten abzubauen. Auch bezüglich der EU-Handelspolitik sieht Germanwatch den Nachholbedarf, zur menschenrechtlichen Sorgfalt bei Importen zu verpflichten.
 
↗ Zur Germanwatch-Studie


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