Gibt es eine gute Lobby?

Von Nataly Bleuel
07. September 2017
Hey Mama, gibt es eigentlich eine gute Lobby?
Das hätte ich gern gehabt. Dass mein Sohn mich das fragt. Darüber könnte man diskutieren. Hat er aber nicht, es war umgekehrt. Ich habe ihn gefragt, hey Sohn, weißt du eigentlich, was eine Lobby ist? Ich finde nämlich, dass wir alle über Lobbys viel zu wenig wissen. Weil Lobbys es ja auch gern haben, wenn wir nichts über sie wissen und sie weiterhin im Hintergrund die Strippen ziehen können, an denen Politiker zappeln und deshalb brav in fette Autos, falsche Energie und fiese Waffen investieren.
Keine Ahnung, was das ist, hat er gesagt, aber auf jeden Fall ist es scheiße.
Woher weißt’n das?
Von dir.
Manchmal ziehen wir Erwachsenen das Kind ja falsch rum auf. Erst die Moral, dann die Geschicht. Wie im Netz, Meinung vor Ahnung. Ich schaue ihn erwartungsvoll an.
Es hat was mit Kontakten und Politik zu tun.
Ich mache eine Kunstpause, die wirken Wunder.
Vornehme Hotels haben das, so mit Marmor und Kronleuchtern, sagt er.
Warm, sage ich und will ihm jetzt erklären, dass die Politik ja dafür da ist, die Bedürfnisse der Menschen zu regulieren; dass die Menschen deswegen mit ihren Interessen im Vorzimmer des Königs antichambrierten und bei uns eben im Vorraum des Parlaments; dass das aber oft Hinterzimmer geworden sind, mit fett Essen und fett Drohungen der Art: Wenn ihr nicht macht, was wir wollen, dann: müssen wir nach Hinterindien abwandern, gehen 400.000 Arbeitsplätze verloren, geht das Licht aus, die Welt unter, gibt es Krieg, Armut und Verwüstung und: werdet ihr nie wieder gewählt und müsst zu uns in die Energie-, Finanz- oder Autowirtschaft wechseln und das Volk hat euch nicht mehr lieb! Dass das Volk gern mitkriegen würde, was in den Hinterzimmern gedealt wird − 5.000 Lobbyisten antichambrieren am Hofe des Bundestages zu Berlin; dass es dafür Lobbykontrollen, Lobbypedia und Lobbyregister verlangt und auch schon dahinter gekommen ist, dass Lobbyisten sich die abgefahrensten Strategien ausdenken, um ihre sagenhafte Macht, mit der sie die Demokratie unterwandern, immer weiter zu festigen, nämlich per Astroturfing, Country Branding oder Deep Lobbying.
Doch in dem Moment kommt sein Vater und ruft: Lobbyisten denken nur an ihre eigenen Interessen und nicht an die der Gemeinschaft, Autolobbyisten, Energielobbyisten, Finanzlobbyisten, die Fifa – alles Egoisten!
Mein Sohn schaut mir tief in die Augen, zieht kritisch die Stirnfalten hoch und sagt, als sein Vater sich zu ihm aufs Sofa geworfen und die Fernbedienung auf ein Fußballspiel gerichtet hat, Paris Saint-Germain gegen AS Nancy, also null Fairplay: Siehste, hab ich doch gesagt, Lobbys sind scheißblöde Arschlöcher!
Und dann haben sie den Ton aufgedreht. Und das Spiel ging weiter.
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