Hey Mama, wofür brauchen wir eigentlich Steuern?

Von Nataly Bleuel
20. November 2017
Hat mich mein Sohn nach der Schule gefragt und glücklicherweise habe ich sofort sein diabolisches Grinsen gesehen, denn: Er wusste, dass er mich mit dieser Frage auf die Palme bringen kann. Hätte er sie ernst gemeint, hätte ich ihn sofort enterbt. Und geschenkt hätte ich ihm erst recht nichts, steuerfrei.
Ich verdichte unseren darauffolgenden Dialog, denn jedes Kind mit drei Stunden Schulunterricht in Sozialkunde kann diese Frage selbst beantworten. Schulen, Krankenhäuser, Straßen, Parks, sagte mein zwölfjähriger Sohn also verkürzt, und wer keine Steuern zahlt, muss ins Gefängnis!
Nicht jeder, hab ich gesagt. Diejenigen, die 7,9 Billionen Euro in die Paradiese geschoben haben, wo sie keine Steuern zahlen müssen, kommen dafür nicht ins Gefängnis − sondern in den Yachtclub von Monaco.
7,9 Billionen Euro!, hat mein Sohn mit rhetorisch weit aufgerissenen Augen gerufen. Als könnte er sich eine Vorstellung davon machen, wie viele Jahre er dafür Taschengeld sparen müsste.
Das entspricht, sagte ich, der Wirtschaftsleistung von 80 armen Ländern.
Aha, murrte er, als wäre die Summe jetzt greifbarer.
Das sind 7,9 mal 1000 Milliarden Euro, also sagen wir, so gut wie eine Acht mit zwölf Nullen.
Mhm.
Davon könntest du jedem der fast acht Milliarden Erdenbürger das neue iPhone kaufen, sagte ich. Oder 20 Paar Nike-Fußballschuhe.
Nö, sagte mein Sohn, der Gutmensch, wenn schon, dann kaufen wir denen lieber ein Android oder Adidas. Er hatte mitbekommen, dass Apple und Nike »uns«, wie er sagte, »total verarschen«. Indem sie versuchten, Steuern nicht zu zahlen.
Ich versteh das überhaupt nicht, sagte ich mit einem diabolischen Grinsen, diese supercoolen Firmen sagen doch immer, dass sie die Welt verbessern: Think different! Just do it! Make the world a better place!
Mein Sohn reagierte nicht. Er schien zu rechnen. Die Firmen könnten, sagte er schließlich, mit den fast 8 Billionen Euro ein Jahr lang 230.000.000 Leute einstellen, damit sie ihren Chefs erklären, wozu Steuern da sind.
Also quasi 230.000.000 Corporate Social Responsibility-ManagerInnen, dachte ich. Hat aber, sagte ich dann, zwei Haken:
Erstens: Wieso sollte ein Firmenchef, der sein Geld in Steuerparadiesen parken will, das tun? Wär ja schön doof. Würden ihn all seine Freunde im Yachtclub auslachen.
Zweitens: Könnten sie von dem Geld auch gleich Steuern zahlen.
Und da blickte mir mein Sohn in die Augen und holte tief Luft, zum vernichtenden argumentatorischen Totschlag, er ist neuerdings in einem Debattierclub mit angeschlossenem Sozialkundeunterricht: Da wären sie ja schön doof, sagte er, denn es ist ja total legal. Weil nämlich den Regierungen, die wir gewählt haben, das Glück der Steuerflüchtlinge wichtiger ist als das von ihrem Volk. Und das von Wirtschaftsflüchtlingen sowieso.
Ich glaub, das hat er irgendwo abgelesen. So schlau kann man in dem Alter unmöglich sein.
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