Im Dialog mit Alnatura: Nachhaltigkeit in der Lebensmittelindustrie

In den vergangenen Monaten hat es im öffentlichen Diskurs regelmäßig Aufregung um die Arbeitsmethoden in der Agrar- und Lebensmittelindustrie gegeben: Der übermäßige Einsatz von Pestiziden beschleunigt das Insektensterben, Glyphosat spaltet als potenziell krebserregender Stoff die Geister, steigende Güllemengen und chemische Dünger erodieren Böden und verseuchen das Grundwasser und ca. ein Drittel der Produkte, die von der auf Überproduktion getrimmten Landwirtschaft erzeugt werden, landet auf der Müllhalde. Dass dieses Vorgehen auf Dauer weder für Natur noch Mensch tragbar ist, erscheint angesichts dieser Entwicklungen als immer offensichtlicher.
Um langfristig sinnvolle Lösungen als Alternativen zu einem solchen System zu beleuchten, unterhielten wir uns mit Julia Renner, Nachhaltigkeitsmanagerin beim Bio-Lebensmittelhändler Alnatura, über die Ansätze des Unternehmens in puncto nachhaltiger Lebensmittelindustrie.
Bio-Lebensmittel, wenn möglich regional erzeugt
Der Fokus des Unternehmens liegt klar auf der Förderung des ökologischen Landbaus. Der Schutz der Umwelt, der Biodiversität und des Klimas soll durch den Handel mit Waren, die ausschließlich biologischem Anbau entstammen, gewährleistet werden. »Im ökologischen Landbau ist Gentechnik verboten und es werden keine chemisch-synthetischen Pestizide, die üblicherweise im konventionellen Landbau genutzt werden, eingesetzt. Durch den Verzicht auf Pestizide wird zudem das Grundwasser geschont und damit zum langfristigen Schutz unserer Wasserressourcen beigetragen«, erklärt Julia Renner. Um den Bio-Landbau weiter auszubauen und einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Natur innerhalb der Lebensmittelindustrie zu verbreiten, setzt das Unternehmen auf den Rückhalt einer sich immer schneller vergrößernden Konsumentenbasis, die sich beim Einkauf für Bio-Qualität entscheidet und damit einhergehend den Bio-Landbau und eine nachhaltige Wirtschaftsweise fördert. Die bestmögliche Qualität der Produkte wird durch die Prüfung vonseiten eines unabhängigen Expertengremiums gewährleistet, des »Arbeitskreises Qualität«: »Dieser prüft Produktvorhaben ebenso wie die Herstellungsprozesse und besitzt ein Vetorecht. Zudem setzen wir bevorzugt Zutaten in Demeter-, Bioland- oder Naturland-Qualität ein, denn diese Verbände stellen noch höhere Ansprüche an eine nachhaltige Landwirtschaft als die EG-Öko-Verordnung«, so Julia Renner.
Für Alnatura spielt bei der Herstellung und beim Bezug der Lebensmittel auch Regionalität eine wichtige Rolle. Die Vorteile von regionaler Beschaffung liegen für Julia Renner auf der Hand: »Durch das Angebot regionaler Produkte in unseren Filialen werden regionale, kleinbäuerliche Strukturen unterstützt. Die Wertschöpfung verbleibt in der Region, denn die Bio-Großhändler und Logistikpartner schaffen Arbeits- und Ausbildungsplätze vor Ort. Durch kürzere Wege muss zudem weniger Energie aufgewendet werden, was eine geringere Belastung für die Umwelt zur Folge hat.« Speziell bei Frischeprodukten wird darauf geachtet, diese möglichst regional zu beziehen. Da die Konsumenten jedoch mittlerweile den Anspruch entwickelt haben, ganzjährig ein breites und preisgünstiges Angebot an Bio-Produkten vorzufinden, können nicht alle Produkte regional bezogen werden.
Qualität schlägt Preis
Der Spagat zwischen hoher Qualität und dem Sicherstellen niedriger Preise ist in der Lebensmittelindustrie grundsätzlich ein heikles Thema, da der Fokus auf einen Faktor in den meisten Fällen zu Lasten des anderen geht. Die bestmögliche Qualität durch biologischen Anbau kann nur mit mehr Arbeitsaufwand gewonnen werden, was im Gegensatz zu konventionell erzeugten Produkten wiederum einen höheren Preis zur Folge hat. Für Alnatura gibt es diesbezüglich klare Prioritäten: »Bei uns gibt es kein Bestreben nach billigeren Produktlinien auf Kosten eines Rückgangs der Qualität«, stellt die Nachhaltigkeitsmanagerin klar. Jedoch kann hohe Kundennachfrage auch bei Bio-Lebensmitteln entscheidenden Einfluss auf die Preisstrukturen haben: »Werden Produkte vermehrt nachgefragt, steigen die Absatzmengen, und die Stückkosten, beispielsweise für Verpackungen oder Transport, sinken. Diese Einsparungen können wir dann mit niedrigeren Preisen an unsere Kunden weitergeben.« In dieser Hinsicht spielt der Kunde als Endverbraucher eine nicht zu vernachlässigende Rolle in Bezug auf die Verbreitung von nachhaltiger Landwirtschaft. Niedrigere Preise, ermöglicht durch große Absatzmengen, machen möglich, dass zukunftsfähiges, nachhaltiges Wirtschaften noch stärker unterstützt wird.
Die Herangehensweise von Alnatura macht deutlich, dass Lebensmittel, die unter umweltschonenden Bedingungen hergestellt wurden, nicht zwangsläufig teuer sein müssen. Wichtig ist ein Wandel der Einstellung möglichst vieler Menschen zur Nahrung. Geänderte Konsummuster werden ein starker Treiber für eine Umstellung in der Lebensmittelproduktion sein. Doch auch der Staat ist gefragt, aktuell noch immer gängige Praktiken der industriellen Landwirtschaft, die nachweislich Natur und Umwelt schaden, zurückzufahren und langfristig zu unterbinden. »Denn die damit einhergehenden negativen externen Effekte, zum Beispiel in Form einer Belastung des Trinkwassers mit Nitrat aufgrund von Überdüngung, die Gesundheitsschäden hervorrufen kann, werden letztendlich von der Gesellschaft getragen«, warnt Julia Renner.
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