Industrie 4.0: Katalysator für Nachhaltigkeit?

Daniela Becker, Freie Journalistin
11. Februar 2016
 
Facebook, WhatsApp, Twitter: Das Internet, wie wir es heute kennen, dient der Kommunikation zwischen Menschen. Immer öfter kommunizieren aber nicht nur Menschen, sondern auch Dinge miteinander – und nicht nur das: Sie besitzen »Intelligenz«. Maschinen und Produkte tauschen über das Internet in hoher Geschwindigkeit eigenständig Informationen aus, steuern sich selbst und lernen hinzu. Fachleute schätzen, dass bis zum Jahr 2020 50 Milliarden Gegenstände auf diese Weise miteinander verbunden sein werden. Forscher arbeiten an vernetzten Sicherheits- und Fahrerassistenzsystemen für Fahrzeuge, intelligenten Energiesteuerungstechniken für Haushalte, industriellen Prozesssteuerungs-, Automations- und Instandhaltungssystemen, intelligenten Bestell- und Logistiksystemen sowie Energieversorgungs-Managementsystemen.
 
Neue Geschäftsmodelle locken, doch die Verunsicherung ist groß
 
Der Verband der Elektrotechnik und Elektronik (VDE) nennt diese Entwicklungen die »neue industrielle Revolution« und beziffert ihr Wertschöpfungspotenzial mit über 200 Milliarden Euro. Experten gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2020 etwa 80 Prozent der deutschen Industrieunternehmen ihre Wertschöpfungskette digitalisiert haben. Das bringt viel Positives mit sich: Automatisierung erleichtert uns die Arbeit; Maschinen erledigen viele Aufgaben billiger, sicherer und akkurater. Doch die Umwandlung der heutigen Industriegesellschaft in eine Datengesellschaft wird gleichzeitig viele Arbeitsprozesse tiefgreifend verändern. Das ist erst mal nichts Neues in der industriellen Historie. Neu ist die Geschwindigkeit, in der die Digitalisierung fortschreitet. Das Tempo verunsichert offenbar viele Firmenlenker: Bei einer Umfrage des Beratungsunternehmens Accenture gaben 62 Prozent der befragten Manager an, über keine Digitalstrategie zu verfügen – gleichzeitig meinten jedoch 77 Prozent, dass sie in den nächsten drei Jahren den Wandel hin zum digitalen Unternehmen vollziehen würden. Eine Diskrepanz, die viel aussagt über die Herausforderung, die das sogenannte »Internet der Dinge« und die Industrie 4.0 mit sich bringt. Die Angst bei den Managern ist groß, das eigene Geschäftsmodell nicht rechtzeitig anzupassen, um sich Konkurrenten zu erwehren, die plötzlich und rasend schnell mit disruptiven Geschäftsmodellen ganze Märkte erobern könnten. Gleichzeitig ist heute vielfach nicht klar, welche Business-Modelle tatsächlich funktionieren werden.
 
Die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine wird immer komplexer
 
Auch die zukünftige Rolle des Arbeitnehmers ist ungewiss. Es zeichnet sich ab, dass der Mensch in einer Industrie 4.0 zunehmend steuernd und regulierend tätig sein wird: er installiert, optimiert und repariert Anlagen. Die Mensch-Maschine-Schnittstellen werden dabei vermutlich komplexer sein als bisher, die Arbeitsintensität höher. An die Beschäftigten werden damit hohe Anforderungen hinsichtlich Fähigkeiten und Wissen gestellt. Alte Strukturen werden aufgebrochen, Inhalte und Gewohnheiten verändern sich. Flexible und anpassungsfähige Produktionssysteme bieten zahlreiche Chancen, Arbeit besser und menschengerechter zu gestalten. Doch das ist kein Automatismus. Überspitzt formuliert geht es um die Frage, ob Menschen künftig dem Takt der Maschine unterworfen sein werden oder ob es gelingt, durch die Unterstützung intelligenter Technik mehr Zeit für sich selbst und kreative, sinnschaffende Arbeit zu haben. In einer automatisierten Welt wird Vollbeschäftigung nicht mehr nötig, aber auch nicht mehr möglich sein. Das wird eine Wertedebatte anstoßen, die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft frühzeitig aufgreifen müssen.


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