Nützt es etwas, »nachhaltig« zu konsumieren?

Fabian Eder, Nur Baute
15. Mai 2017
 
Der steigende Trend von LOHAS (»Lifestyle of Health and Sustainability«) und nachhaltigem Konsumieren beschwört seit längerer Zeit die Debatte, ob ein derartiger Lifestyle westlicher Gesellschaften auf globaler Ebene überhaupt eine Auswirkung hat. Die Idee hinter dieser Lebensart ist, die Welt allein durch den Kauf ethisch hergestellter Produkte besser und gerechter zu machen und so einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung zu leisten. Der angenehme Beigeschmack ist, dass die Vorzüge westlicher Errungenschaften weiterhin genossen werden können, ohne einen nicht zukunftsfähigen Lebensstil zu riskieren. Inwiefern dieser Beitrag für das Erreichen einer besseren Zukunft genügt, ist allerdings fraglich.
 

Das Kalkül reicht weiter

Bei der Idee von ethisch richtigem Konsum geht es weitergedacht um mehr als nur um die Befriedigung des eigenen Gewissens. Bei steigender Nachfrage würden Unternehmen irgendwann merken, dass es sich lohnt, auf verantwortungsvolle Produkte und Dienstleistungen umzusteigen, Nachzügler könnten es sich irgendwann nicht mehr leisten, diese Strategie nicht zu verfolgen. Die eigene Kaufentscheidung hätte also eine weitreichende Auswirkung auf Geschäftspraktiken und Umstände in der Lieferkette.
 
Diesem Kalkül sind allerdings einige Grenzen gesetzt. Einerseits sind die Möglichkeiten für Unternehmen zu prüfen, ob gewisse Produkte tatsächlich unter ethischen Gesichtspunkten produziert sind, besonders in Ländern mit niedrigen gesetzlichen Standards massiv eingeschränkt. Untersuchungen zu externen Audits haben gezeigt, dass Zulieferer auf kreativste Art und Weise Zahlen und Fakten drehen, Warnsysteme einführen und Kinderarbeit verschleiern, wenn externe Überprüfungen bevorstehen (huffingtonpost.com). Hinzu kommt, dass beispielsweise im Bereich der Textilproduktion bereits ein Großteil der billig produzierten Waren (rund 70 Prozent) nicht mehr in reiche westliche Länder, sondern in Länder mit wachsender Mittelklasse (China, Indien, Brasilien) und großer Nachfrage nach günstigen Gütern exportiert werden. Die lokalen Kaufentscheidungen westlicher Gesellschaften haben also nur eine geringe Auswirkung auf die Produktionsweisen der Branchen in diesen Ländern.
 
Nun könnte argumentiert werden, dass auch diese Gesellschaften, je reicher sie werden, nachhaltige Waren bevorzugen werden, was jedoch eng mit der Gesetzeslage zusammenhängt. Unternehmen in Burma oder Bangladesch arbeiten unter anderen Voraussetzungen als hierzulande, wodurch sich eher die Gelegenheit bietet, Ausbeutungsbetriebe zu führen. Der taiwanesische Elektronikteile-Hersteller Foxconn hat einen Standort in den USA, der entgegen der Fabriken in Asien kein Sweatshop ist, was nicht mit großartigen unternehmerischen Bemühungen, sondern mit den funktionierenden institutionellen Voraussetzungen in Amerika zu tun hat.
 

Politisches Mitwirken ist gefordert

Verschiedene Studien kommen zu dem Schluss, dass wirtschaftspolitische Eingriffe um ein Vielfaches wirkungsvoller sind als Appelle an das Öko-Gewissen von Konsumenten, wenn es um strukturelle Veränderungen in Sachen Nachhaltigkeit geht. In Bangladesch gibt es weniger als 200 staatliche Inspektoren für 75 Millionen Arbeitende, in ganz Uganda sind lediglich rund 120 Experten für die Überprüfung aller unternehmerischen Auswirkungen auf die Umwelt zuständig. Diese Staaten auf politischer Ebene in der Entwicklung ihrer Institutionen zu unterstützen, hätte einen weit größeren Einfluss auf die Art, wie gewisse Produkte gefertigt werden, als strategischer Konsum nachhaltiger Produkte im Westen. Das soll nicht bedeuten, dass dieser im Vergleich zu gedankenlosem Konsum nicht zu bevorzugen wäre. Jedoch sollte klar sein, dass der Einfluss auf die Entwicklung nachhaltiger Produkte nicht an der Supermarktkasse endet, sondern durch politisches Engagement und verantwortungsvollen Lobbyismus viel weiter getragen werden könnte.


Zurück zum Blog