Prozess Deutscher Klimaschutzplan 2050: Bürgerbeteiligung – ohne Unternehmen?

Dr. Charlotte Schmitz, Freie Journalistin
13. Mai 2016
 
Ein Verfahren aus den basisdemokratischen Ursprüngen ihrer Partei hat Umweltministerin Barbara Hendricks auf die Bundesebene gehoben: Per Bürgerbeteiligung ließ sie den »Deutschen Klimaschutzplan 2050« erarbeiten. Das Ergebnis ist ein Dokument, beziffert mit »3.1.« nach Art von Softwarelösungen – was spontan die Frage aufwirft, ob es sich dabei um eine noch nicht ausgereifte Betaversion handelt. Denn der »Klimaschutzplan« besteht aus einer Auflistung von 97 Einzelmaßnahmen, ausgebreitet auf 350 Seiten. Wer eine Zusammenfassung sucht, wird enttäuscht: Es gibt keine. Das ist auch kein Wunder, denn eine solche dürfte schwerfallen, da eine inhaltliche Schwerpunktsetzung und besondere Gewichtungen bisher fehlen.
 
So sieht also das Ergebnis aus, wenn Bürgerinnen und Bürger ihre Vorschläge für Maßnahmen gegen den Klimawandel zusammentragen. Dass aus den vielen Einzelstimmen keine Politik aus einem Guss erwächst, ist nachvollziehbar.
 
Kritik an dem Klimaschutzplan hagelt es denn auch aus allen Ecken: Industrieverbände, Bauernvertreter und der DGB haben alle gleichermaßen etwas an dem vorgeschlagenen Maßnahmenkatalog auszusetzen, wenn auch aus unterschiedlicher Perspektive. Diese ungewohnt einhellige Allianz aus Industrie- und Arbeitnehmervertretern könnte zwei Gründe haben: Zum einen wurde der gewohnte Prozess der Meinungsbildung durch die Bürgerbeteiligung demokratisiert. Anstatt dass Interessenvertreter ihre gewohnten Kanäle in Bonn und Berlin nutzten, um Gesetzesentwürfe von vornherein mitzubestimmen, wurde auf einen öffentlichen Meinungsfindungsprozess gesetzt. Dabei waren Unternehmen auch eingeladen: Ein Verbändeforum im vergangenen Herbst bildete die Plattform, an der sich Unternehmensverbände beteiligen konnten, wobei die Lobbyisten keine stärkere Stimme hatten als der normale Bürger. Auch wenn sie diese Tatsache ärgert: Den Prozess als »intransparent« zu geißeln, erscheint heuchlerisch, denn der gesamte Prozess wurde auf der Internetseite des Klimaschutzplans nachvollziehbar gemacht. Zum anderen könnte die gemeinsame kritische Haltung der Industrie- und Arbeitnehmervertreter darin wurzeln, dass diese Kritik berechtigt ist. Ein Maßnahmenkatalog, der nicht gewichtet, bewertet oder in sich konsistent ist, eignet sich nicht als Grundlage für eine durchschlagskräftige Politik. Diese aber ist erforderlich, um dem Klimawandel zu begegnen.
 
Für Unternehmen bildet der Katalog, der aus dem aufwendigen Abstimmungsprozess entstanden ist, jedoch eine einmalige Chance: Sie bekommen ungefiltert einen Eindruck davon, wie sich die Bürger eine nachhaltige Zukunft vorstellen. Aus der Liste der Maßnahmen, die jeweils durch eine wissenschaftliche Bewertung ergänzt wurden, können sie diejenigen heraussuchen, die ihre Branche betrifft. Wie passen diese Maßnahmen zu ihrer gegenwärtigen CSR-Strategie? Oder läuft die von den Bürgern vorgeschlagene Maßnahme den Erfahrungen des Unternehmens zuwider? Dann bietet sich immer noch die Möglichkeit, Ergänzungen zum Klimaschutzplan zu präsentieren, denn dieser ist noch nicht in Stein gemeißelt.
 


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