R.I.P. Klimaschutzziele

Fabian Eder, Nur Baute
15. Januar 2018
 
Die Entscheidung der Sondierer von Union und SPD, die Klimaschutzziele für 2020 endgültig zu begraben, scheint nach dem Abschluss der Sondierungsgespräche als final. Abgesehen davon, dass dieses Signal für die europaweite Klimaschutzbewegung fatal ist, fußt es auf Argumentationslinien, die sich bei näherer Betrachtung schlicht und einfach nicht nachvollziehen lassen.
 
»Don’t cling to a mistake just because you spent a lot of time making it.« Dieses Zitat von Aubrey De Graf versinnbildlicht, was an dem aktuellen Kurs der Sondierungsgespräche in puncto Klimaschutz falsch läuft. Nur weil jahrelang auf Kohle zur Stromerzeugung gesetzt wurde, sollte die Schlussfolgerung daraus nicht lauten, dass dies auf ewig so weitergehen muss. Und trotzdem entschieden sich die Sondierer dafür, das Ziel, den CO2 Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent gegenüber dem des Jahres 1990 zu verringern, nun offiziell zu begraben. Dass der aktuelle Knackpunkt beim Klimaschutz der Ausstieg aus der Kohlestromversorgung ist, ist relativ offensichtlich. Denn mit dem Aufgeben des ursprünglichen Ziels, wird nun ein neues formuliert, nämlich Versorgungssicherheit zu schaffen und das unter der »Einhaltung von Wirtschaftlichkeit«. Die Angst, durch das Zurückfahren der Kohlestromversorgung zugunsten des Klimaschutzes hohe Arbeitsplatzverluste hinnehmen zu müssen, soll die Abkehr von den Klimaschutzzielen weiter rechtfertigen. Bei genauer Betrachtung erweisen sich diese Argumentationslinien jedoch als fadenscheinig.
 

Genügend Strom und Arbeitsplätze

Zum einen widersprechen die aktuellen Entwicklungen in der Stromversorgung in Deutschland der Angst, dass durch das Abschalten von Kohlekraftwerken Versorgungsengpässe entstehen. Tatsächlich wird in Deutschland teilweise so viel Strom produziert, dass dieser regelmäßig ins Ausland exportiert wird, und das mitunter zu Negativpreisen wie zuletzt Ende 2017. Ein gradueller Ausbau der erneuerbaren Energien sowie Investitionen in Stromspeichertechnologien wären das nötige Commitment um alle letzten Zweifel endgültig auszuräumen. Des Weiteren lässt sich der angebliche Zielkonflikt zwischen Arbeitsplatzerhaltung und mehr Klimaschutz relativ schnell auflösen: Klimaschutz schafft Arbeitsplätze!
 
Das Thema ist besonders bei Investoren bereits angekommen. Im Jahr 2015 betrugen die weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien rund 286 Milliarden US-Dollar, also mehr als das Doppelte des in Kohle und Gas Erzeugung investierten Betrags (rund 130 Milliarden US-Dollar). Der Umstieg auf die Förderung erneuerbarer Energien ist also für Unternehmen (auch in Europa) nicht nur jetzt schon rentabel, sondern schafft langfristig eine Vielzahl neuer Arbeitsplätze. Zusätzliche Nachfrage kommt von den meisten Großunternehmen (z.B.: Goldman Sachs, Ikea, Google oder General Motors), die sich einem Umstieg auf 100 Prozent erneuerbare Energien verschreiben. Immer mehr Unternehmen werden diese Entwicklungen aufgreifen, um für zukunftsfähige Technologien zu werben und den Wirtschaftsstandort Deutschland für die Zukunft wettbewerbsfähig zu machen.
 
Zwar mag es stimmen, dass Arbeitsplätze in Kohlekraftwerken einem graduellen Abbau zum Opfer fallen würden. Jedoch sollten einerseits die neu entstehenden Beschäftigungen durch erneuerbare Energien nicht außer Acht gelassen werden und andererseits muss ein gesellschaftlicher Diskurs darüber geführt werden, ob das Festhalten an obsoleten Technologien zur reinen Arbeitsplatzerhaltung zukunftsfähig und gewünscht ist. Ein Mittel zur Lösung des Problems könnte ein graduelles Umschulen von Fachkräften auf jene speziellen Qualifikationen sein, die im Umgang mit Eerneuerbaren Energien nötig sind – eine Initiative, die bundesweit ohnehin systematisch auch in anderen Branchen adressiert werden sollte, da in Zukunft eine Reihe weiterer Berufsbilder an neue Technologien angepasst werden muss.


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