Stichjahr 2100: Wenn die Quote 50/50 ist

Lena Engel, Nur Baute
25. Januar 2016
 
Die Frauenquote ist in aller Munde: Ab dem 01. Januar 2016 gilt sie nun, die 30-Prozent-Quote für Aufsichtsräte bis 2020 und die Selbstverpflichtung für Vorstandspositionen bis 2017. Die Quote greift bei etwa 102 Unternehmen; die freiwilligen Zielvorgaben sind für etwa 3500 Gesellschaften relevant.
 
Alles blickt nun auf Vorstände und Aufsichtsräte, Unternehmen glänzen entweder durch bereits mit Frauen besetzten Positionen oder eben durch »Zielgröße null«. Die Erwartungen sind groß, Unternehmen kündigen an, in Zukunft mehr Frauen beschäftigen zu wollen, und die deutsche Politik wird als fortschrittlich empfunden. Jedoch sinkt seit diesem Jahr der Anteil an Frauen in Führungspositionen wieder leicht und das »Managerinnen-Barometer 2016« des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt, dass es bei gleichbleibender Geschwindigkeit 86 Jahre dauern würde, bis Frauen und Männer zu gleichen Anteilen Führungspositionen übernehmen. Keine Frage: Die Quote ist gut und richtig – interessant ist aber doch, warum es eine Quote überhaupt braucht und ob sie inhaltlich stark genug ist. Um diese Fragen zu beantworten, sollte man Deutschland nicht als »Blackbox« sehen, sondern einen europäischen Vergleich ziehen. Und hier hinkt Europas Vorreiter hinterher.
 

Europas Staaten im Vergleich

Im Jahr 2014 belegte Deutschland mit 16,6 Prozent Frauen mit Vorstandsposten den zehnten Platz im europäischen Vergleich. Spitzenreiter war Norwegen mit 38,9 Prozent und an letzter Stelle stand Portugal mit 5,2 Prozent. Unter den großen europäischen Kernländern schnitt Deutschland schlecht ab: Frankreich lag 2014 bei 28,5 Prozent und Großbritannien bei 22,6. Beide hatten einen »organisch« höheren Frauenanteil in Führungspositionen. In Frankreich wurde 2014 zusätzlich eine Quote beschlossen. Sie liegt bei 40 Prozent Frauenanteil bis 2017 für börsennotierte Unternehmen und Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten oder mehr als 50 Millionen Euro Umsatz. Auch im öffentlichen Sektor wurde die Quote umgesetzt. Großbritanniens Politik und Gesellschaft diskutiert derzeit, hat aber bisher keine Quote beschlossen.
 

Europaweite Frauenquote

Bereits 2012 verabschiedete die EU-Kommission mit Unterstützung des Parlaments eine Richtlinie zur Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten von börsennotierten Unternehmen auf 40 Prozent bis 2020. Der Rat der Europäischen Union, bei dem die Staats- und Regierungsoberhäupter im Dezember 2015 zusammenkamen, konnte jedoch keine Einigung erzielen – nicht zuletzt, weil Deutschland die Quote ablehnte.
 

Fortschritt oder kleinster gemeinsamer Nenner?

Im Rahmen dieser Fakten relativiert sich die »Innovation« Frauenquote in Deutschland. Vielmehr scheint es, dass Deutschland durch generelle Rahmenbedingungen bislang keine organische Veränderung der Repräsentation von Frauen in Führungspositionen hervorrufen konnte ‒ in Ländern, die Frauen im Beruf, Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie eine generell homogene Geschlechterverteilung fördern, scheint dies besser zu funktionieren, etwa in Skandinavien oder Frankreich. Zusätzlich steigt der Quotendruck seitens der EU an, die höhere Zielvorgaben anstrebt, als es die deutsche Quote derzeit tut.


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