Transparenz über Problembereiche – ein Nachteil für Unternehmen?

Fabian Eder, Nur Baute
13. März 2017

Ein Blick auf den durchschnittlichen Nachhaltigkeitsbericht vieler Unternehmen bietet dasselbe Bild: Hochglanzbroschüren, die ausschließlich von positiven Ergebnissen in puncto CSR berichten und (so scheint es) rein der reputationssteigernden Selbstdarstellung dienen. Informationen zu Problembereichen, ungelösten Fragen, Dilemmata oder Zielkonflikten bleiben oft aus. Dabei stellt sich die Frage, ob Transparenz über Schwierigkeiten und Nachholbedarf im Unternehmen tatsächlich so nachteilig ist, wie oft befürchtet, oder ob sie im Gegenteil Potenzial für wahrhaft verantwortungsvolle Kommunikation bietet.

Mehr als reine Einweg-Kommunikation

Dass für verantwortungsvolle Kommunikation mehr nötig ist als einseitige Informationsvermittlung, wird bereits von verschiedenen AutorInnen angemerkt. Vielmehr basiert sie auf vier Säulen, nämlich dem Einbringen einer gesellschaftlichen Sicht, der Bereitschaft zur Selbstkritik, der Ethik als Basis für Denken und Handeln sowie einem klaren Bekenntnis zum Diskurs (Faber-Wiener, 2013). Kritische Beurteilung des eigenen Handelns und Reflektion bilden die Grundlage für Vertrauen, Glaubwürdigkeit wird vor allem durch die Darstellung ausgeglichener Informationen (positive wie negative) geschaffen. Das bedeutet, dass ausgewogene, selbstkritische und dialogische Kommunikation auch das Zurverfügungstellen von Informationen umfasst, die »nachteilige« Aspekte beinhalten.

Großer Nachholbedarf in der aktuellen Berichtspraxis

Das aktuellste Ranking von Nachhaltigkeitsberichten des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) offenbart in puncto Glaubwürdigkeit vor allem, dass die offene Thematisierung von Problembereichen, Dilemmata oder nicht rein positiven Bewertungen eine absolute Ausnahmeerscheinung unter den Berichterstattern darstellt (IÖW, 2016). Diesem Trend wird auch vonseiten der Politik nicht entgegengewirkt, die in der Umsetzung der Richtlinie 2014/95/EU zu nicht finanzieller Berichterstattung Unternehmen die Möglichkeit gewährt, im Bericht »nachteilige« Informationen auszulassen, wenn diese negative Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit haben. Das Informationsrecht der Stakeholder wird dabei genauso ausgeklammert wie die Chancen, die die verantwortungsvolle Kommunikation sämtlicher CSR-Aspekte bietet.

Das Positive im »Negativen«

Ulrich Thielemanns Konzept »verdienter Reputation« beschreibt die Idee, dass Unternehmen durch integres Handeln langfristig Vertrauen und Glaubwürdigkeit bei Stakeholdern aufbauen und so ihre Reputation steigern können (Thielemann, 2005). Werden also auch Aspekte thematisiert, die nicht so gut laufen (und jeder Mensch weiß: es gibt sie!), wirkt dies viel authentischer und sorgt für positivere Wahrnehmung als eine vermeintlich makellose Präsentation. Außerdem bildet Transparenz in Bereichen, in denen noch Nachholbedarf besteht, eine fundierte Grundlage für den Austausch mit Stakeholdern, um Input für die gemeinsame Lösung ebenjener Problembereiche zu erhalten. Denn was nicht kommuniziert wird, kann viel schwerer thematisiert werden.


Zurück zum Blog