Über die progressivsten CSR-Strategien

Fabian Eder, Nur Baute
02. Oktober 2017
 
Dass mittelgroße und große Unternehmen heutzutage Nachhaltigkeitsaktivitäten und -strategien verfolgen, ist mittlerweile keine Ausnahme mehr. Ein Großteil der Aktivitäten und Strategien lässt in den meisten Fällen den (limitierten) Horizont des eigenen Unternehmens als Anfangspunkt erkennen – vor allem in Form des Versuchs, die eigenen negativen Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft et cetera zu minimieren. Sosehr derartige Bemühungen kurzfristig richtig und notwendig sein mögen – sie stützen langfristig den Erhalt eines in sich fehlerhaften Systems. Die progressivsten Nachhaltigkeits-Champions werden diejenigen sein, die als weiterführenden Schritt außerhalb der Sphäre ihrer eigenen negativen Einflüsse proaktiv einen Systemwandel forcieren und dafür Lobbyismus betreiben.
 

Das aktuelle System macht wahre Nachhaltigkeit nicht möglich

Das aktuelle kapitalistische System liefert Unternehmen zahlreiche Anreize, sich nicht nachhaltig zu verhalten. Dies äußert sich beispielsweise durch horrenden Ressourcenverbrauch, Geschäftsmodelle, die von Verschwendung profitieren, den Dogmatismus von grenzenlosem Wachstum oder die zunehmende Ausbeutung billiger Arbeitskraft, um im Wettbewerb bestehen zu können. Auch die Tatsache, dass der Earth Overshoot Day jedes Jahr früher stattfindet, spricht nicht für ein tatsächliches Umschwenken hin zu globaler Nachhaltigkeit. Diese Fehler eines auf Profitmaximierung ausgerichteten kapitalistischen Systems sind mit dafür verantwortlich, dass es Unternehmen beinahe nicht möglich ist, vollständig nachhaltig zu handeln. Die Auswirkungen dieser Dynamik sind bereits weitläufig zu beobachten, wie beispielsweise im Falle der deutschen Autoindustrie: Der Unwille, von einer für die Menschheit als gesundheitsschädigend bewiesenen Technik abzulassen (= Systemwandel), besteht weiterhin, obwohl all diese Unternehmen glänzende CSR-Aktivitäten vorweisen können. Jedoch scheint an einem Systemwandel zugunsten des Gemeinwohls aufgrund fehlgeleiteter kapitalistischer Anreize kein Interesse zu bestehen. Und genau das ist der Fehler. Denn langfristig werden jene Unternehmen, die durch progressive Nachhaltigkeitsstrategien den Wandel propagieren, diejenigen sein, die den neuen Status Quo mitformen können.
 

Wandel auf verschiedenen Ebenen

Zu unterscheiden ist eine Auseinandersetzung mit möglichem Systemwandel auf mittlerer und übergeordneter Ebene. Die mittlere Ebene umfasst Systemwandel auf einem sektoralen beziehungsweise stakeholderspezifischen Level (zum Beispiel innerhalb der Autoindustrie / Ausweitung der Unternehmensgrenzen durch die Einbindung der tieferen Lieferketten). Wandel auf übergeordneter Ebene hingegen bedeutet eine Weiterentwicklung der vorherrschenden wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Systeme hin zu wahrhaft nachhaltigen Äquivalenten (Ansätze wären beispielsweise die Idee einer Gemeinwohl-Ökonomie oder die Einführung der ökologischen Gewinn- und Verlustrechnung). Während bereits wenige Unternehmen auf mittlerer Ebene aktiv sind, gibt es kaum Beispiele für unternehmerische Forcierung übergeordneten Wandels. Und die Unternehmen müssen diesen Wandel im aktuellen System auch nicht vollziehen, da es sie nicht vollständig für die negativen Auswirkungen ihrer Aktivitäten zur Rechenschaft zieht. Wäre das der Fall, so wäre es nämlich die profitmaximierende Strategie, vollständig verantwortungsvoll zu handeln.
 
Fest steht, dass übergeordneter Wandel durch Einzelbemühungen nicht erreicht werden wird. Was es also braucht, ist Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Unternehmen, Stakeholdern und PolitikerInnen sowie ein offenes Bekenntnis zur Notwendigkeit dieses Wandels. Dafür müssen zunächst der Wille und die Bereitschaft aspirierender Nachhaltigkeits-Champions bestehen, das aktuelle, fehlerhafte System zu ändern, und das, obwohl sie sehr wahrscheinlich selbst von seinen Dynamiken profitieren. Natürlich wirft der hier erwähnte Vorschlag die berechtigte Kritik auf, aktiv forcierter Wandel zu nachhaltigen Systemen sei auf freiwilliger Basis nicht möglich. Dies könnte natürlich stimmen, die Alternativen wären jedoch ein zu diskutierendes Diktat von staatlicher Seite oder aber ein Systemcrash, der um einiges schmerzhafter als das Szenario eines rechtzeitigen, freiwilligen Umschwenkens ausfallen würde.


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