VW – Vertrauen zurückgewinnen

Ellen Weiland, Nur Baute
12. Januar 2016
 
Volkswagen versucht mit dem gerade der Öffentlichkeit vorgestellten Elektromobil BUDD-e das Vertrauen der Konsumenten zurückzugewinnen und eine neue Marke aufzubauen. Auf der CES in Las Vegas entschuldigte sich der neue VW-Markenchef Herbert Diess für die Manipulation der Abgaswerte und postulierte, dass man ein »anderes und besseres« Unternehmen schaffen werde.
Ist das ausreichend? Kann man mit der Einführung alternativer Modelle über einen Skandal in einem anderen Geschäftsbereich hinwegkommen?
 
Die CSR-Strategie von VW
 
Dass dies nicht so einfach ist, bezeugte Prof. Dr. Gerhard Prätorius, Leiter der Bereiche CSR und Nachhaltigkeit der Volkswagen AG auf dem Deutschen Nachhaltigkeitstag in Düsseldorf am 27. November 2015. Im öffentlichen Gespräch stellte er die neue CSR-Strategie von VW vor, die sich im Wesentlichen auf fünf Aspekte bezieht und das Vertrauen in VW als Marke wieder stärken soll:
 

  1. eine schnelle, effektive technische Lösung für den Kunden finden;
  2. interne und externe Aufklärung des Skandals;
  3. Dezentralisierung innerhalb der Organisation, unternehmerische Verantwortung nach unten durchgeben;
  4. die Unternehmenskultur ändern, Selbstvertrauen in den unteren Abteilungen stärken und dort den Widerspruchsgeist fördern;
  5. strategische Neuausrichtung; Technologieentwicklung, Elektrifizierung, Digitalisierung.

 
Auffällig an diesen fünf Punkten ist neben der gewählten Reihenfolge der Prioritäten vor allem der vierte Punkt, in dem der fehlende Widerspruchsgeist in den unteren Abteilungen angesprochen wird. Wird hier nicht zu kurz gegriffen? Wenn über Jahre hinweg eine hierarchisch aufgebaute Betriebskultur dominierte, im Rahmen derer der Vorstandschef Martin Winterkorn an einem Tag so viel verdiente wie ein durchschnittlicher deutscher Arbeitnehmer im ganzen Jahr, dann sollten Widerspruchsgeist und vor allem Übernahme von Verantwortung für das eigene Tun auch in den oberen Etagen eingefordert und umgesetzt werden. Prätorius hat dies indirekt bestätigt, indem er feststellte, dass der Nachhaltigkeitsaspekt bei jedweder Unternehmensaktivität betroffen sei. Er geht davon aus, dass weitere Zielkonflikte kommen werden, und fordert einen offeneren und klareren Umgang damit.
 
Zielkonflikte bei VW vorprogrammiert
 
Einige Herausforderungen neben der Hauptklage der US-Behörden auf fast 90 Milliarden US-Dollar Schadenersatz sind tatsächlich schon bekannt: Zum einen will VW die Produktion der Luxuslimousine Phaeton in Dresden Ende März 2016 einstellen. Stattdessen soll die Fabrik für die Produktion des elektrischen Nachfolgemodells umgebaut werden. Davon sind 600 Mitarbeiter betroffen, die dann übergangsweise im VW-Werk Zwickau eingesetzt werden, einer Stadt, die 130 Kilometer von Dresden entfernt ist.
Zum anderen gerät VW in China unter Druck, welches einen zentralen Absatzmarkt für die Firma darstellt und bisher selbst nicht als Vorbild in Sachen Umweltschutz in Erscheinung getreten ist. Die semioffizielle chinesische Nichtregierungsorganisation China Biodiversity Conservation and Green Development Foundation klagt in Tianjin VW wegen Umweltverschmutzung und Verstößen gegen Umwelt- und Produktqualitätsgesetze an. Gegenstand der Klage ist die Einfuhr von manipulierten VW-Dieselfahrzeugen nach China. Von den weltweit elf Millionen betroffenen Fahrzeugen sind lediglich 1.900 über den Hafen von Tianjin auf den chinesischen Markt gelangt. Der Kläger fordert dennoch eine öffentliche Entschuldigung und eine Strafe in unbekannter Höhe. VW China bestätigte bislang nur, »von dem Verfahren zu wissen«.
 
Es bleibt spannend, welche weiteren Auswirkungen die unsauberen Praktiken von VW auf den einzelnen Absatzmärkten haben werden und ob mit der bisher anvisierten CSR- und Konzernstrategie tatsächlich das volle Vertrauen der Konsumenten zurückgewonnen werden kann. Fest steht, dass Glaubwürdigkeit die Voraussetzung für jegliches Vertrauen ist und nur durch integres Verhalten erzeugt werden kann ‒ anstatt durch smarte Ablenkung vom eigentlichen Problem.


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