Woher kommt der ganze Müll?

Von Nataly Bleuel
27. September 2018
Mama, hat mich mein Sohn gefragt, Badehose gezurrt, Ball in der Hand, wild entschlossen, ihn die nächsten fünf Stunden 734 Mal über glasklares Wasser zu dippen, woher kommt der ganze Müll hier im Meer?
Der Mensch guckt ja immer erst mal auf das Nächstliegende. Also schaue ich aufs Wasser, Algen, Plastiktütenfetzen, Kunststoffbehälterscherben, Strohhalme, Kondome, Zigarettenstummel. Mein Blick wandert zu den Booten vor der Bucht, und ich sage: Weil die ihren Müll einfach über Bord werfen. Und heute ist schlechte Strömung, also kommt er zu uns.
Und wenn die Strömung gut ist, sagt mein Sohn und grinst, weil er mich blitzschnell einer fiesen Logik überführt hat, dann wird der eklige Müll rausgetrieben, sodass wir ihn nicht sehen müssen?
Ja, sage ich kleinlaut, man schämt sich ja auch als Erwachsener. Wir blicken auf das Kondom. Es wabbelt wie eine Feuerqualle im Wasser. Wir springen beiseite und ich rufe, lass uns da drüben weiterspielen. Doch mein Sohn will plötzlich nicht mehr Ball spielen. Er stiert in den Sand und deutet auf zerfaserte Kippen, guck mal, da, da und da – was ist das?
Das sind Zigarettenfilter, sage ich. Meinen Kindern muss man das erklären. Sie stammen aus einer Generation, die Zigaretten und Raucher mit größtmöglicher Verachtung belegt. Mit dem großen Zeh schiebt er an einem Stummel rum und kräuselt die Nase.
Wusstet ihr, sagt sein großer Bruder, dass Zigarettenstummel noch schlimmer sind als Strohhalme? Hab ich auf YouTube gesehen. Jedes Jahr werden fünfeinhalb Millionen Zigaretten mit Filtern gemacht. Obwohl die Filter dem Raucher eh nichts bringen, die Zigarettenfirmen könnten die auch einfach weglassen. Aber so vermüllen sie die Meere. 60 Millionen Zigarettenstummel haben so Leute schon aus dem Meer gefischt. Und die restlichen schlucken die Fische − mit der ganzen Chemie und dem Gift drin.
Ich sehe, wie es in meinem Kleinen rattert, er wird sehr schweigsam. Er liebt Fisch. Auch auf dem Teller. Am Abend zuvor hatte er eine Dorade verspeist. War zwar keine Kippe drin. Aber vielleicht die Rückstände von Celluloseacetat, Kunststoff, Schadstoff und, würg, Nikotin?!
Wir können ja mal, sage ich und versuche ein extrem motivierendes »Hey, coole Idee«-Lächeln aufzusetzen, den Strand absammeln: nach Stummeln statt nach Muscheln! Da tippt sich mein Kleiner an die Stirn. Er philosophiert zwar gern, aber er ist nicht so der altruistische Weltrettertyp. Er packt den Ball und sagt zu seinem Bruder, komm, wir gehen! Mama sagt, morgen ist die Strömung wieder besser. Dann müssen wir den ekligen Scheiß von den Erwachsenen nicht mehr sehen.
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